Raps Blütenbehandlung
Einführung
Die Rapsblütenbehandlung ist eine zentrale Maßnahme zur Sicherung der Ertragsstabilität und Bekämpfung von bedeutenden Pilzkrankheiten wie der Weißstängeligkeit (Sclerotinia sclerotiorum) und der Rapsschwärze (Alternaria brassicae). Diese Krankheiten können in Jahren mit hoher Befallswahrscheinlichkeit zu erheblichen Ertragsverlusten von bis zu 20–30 % führen, insbesondere bei ungünstigen Witterungsbedingungen und einer hohen Krankheitsanfälligkeit im Bestand.
Die Weißstängeligkeit ist aufgrund ihrer langen Überdauerungsfähigkeit im Boden von besonderer Bedeutung. Ihre Sklerotien, die bis zu zehn Jahre im Boden lebensfähig bleiben, keimen unter günstigen Bedingungen und bilden infektiöse Ascosporen. Die Rapsschwärze hingegen tritt vor allem in warmen, windgeschützten Regionen auf, wobei wechselhafte feuchtwarme und trockenwarme Wetterphasen das Risiko zusätzlich erhöhen.
Mit dem dichten Pflanzenbestand während der Blüte entstehen im Rapsbestand Mikroklimata, die trotz vermeintlich trockener Witterung günstige Bedingungen für Infektionen schaffen. Die abgeschattete Pflanzendecke fördert eine isolierende Schicht, in der die Luftfeuchtigkeit durch kapillaren Wasseraufstieg und Tauphasen auf über 80 % steigen kann. Dies begünstigt die Infektion in den Blattachseln, besonders durch herabfallende Blütenblätter. Daher darf auch bei trockener, warmer Großwetterlage nicht leichtfertig auf die Blütenbehandlung verzichtet werden.
Neben der Bekämpfung von Krankheiten bietet die Blütenbehandlung technische Herausforderungen, da die Behandlung in einer besonders empfindlichen Wachstumsphase durchgeführt wird. Sie erfordert ein optimales Zusammenspiel aus Wirkstoffwahl, Applikationstechnik und der Schonung von Bestäubern wie Bienen und Wildinsekten. Moderne Applikationsverfahren wie das Dropleg-System bieten hier innovative Möglichkeiten zur präziseren Wirkstoffanlagerung.
Die folgenden Abschnitte erläutern die wichtigsten Krankheiten, geeignete Fungizidstrategien sowie technische Anforderungen für eine erfolgreiche Rapsblütenbehandlung.
Weißstängeligkeit (Sclerotinia sclerotiorum)
Der Pilz Sclerotinia sclerotiorum kann in Form von Dauersporen, den Sklerotien, über sieben bis zehn Jahre im Boden überdauern. Bei günstigen Bedingungen (kühl und feucht, Bodentemperatur > 10 °C) keimen die Sklerotien und bilden Apothezien. Diese kleinen Fruchtkörper setzen bei wechselfeuchter, warmer Witterung Ascosporen frei, die durch Windbewegungen auf Blätter und Stängel des Rapses verteilt werden.
- Infektionsprozess: Abfallende Blütenblätter unterstützen die Keimung der Sporen in den Blattachseln, wo die Bedingungen für eine Infektion besonders günstig sind (hohe Luftfeuchtigkeit und Abschattung).
- Befallsrisiko: Besonders hoch bei:
- Engen Rapsfruchtfolgen.
- Vorfrüchten wie Sonnenblumen oder Kartoffeln, die ebenfalls als Wirtspflanzen fungieren.
- Wasserspeichernden Böden (Börde, humusreiche Senken, Flussauen).
Selbst bei trockener und warmer Witterung ist Vorsicht geboten: Innerhalb des Rapsbestandes kann das Mikroklima aufgrund der geschlossenen Pflanzendecke zu einer ausreichenden Luftfeuchtigkeit führen. Bereits ein normal durchfeuchteter Boden oder häufige Tauphasen können die Bedingungen für eine Infektion schaffen. In Jahren mit einem hohen Befallsdruck kann eine Blütenbehandlung einen Ertragsverlust von 20 % und mehr verhindern.
- Optimale Bekämpfungszeit: Wenn 50 % der Blüten am Haupttrieb geöffnet sind und die ersten Blütenblätter abfallen (Vollblüte).
- Die Blütenblätter fungieren als Transportmittel für den Wirkstoff und befördern diesen in die Blattachseln, wo die Infektion beginnt.
- Eine zu frühe Behandlung kann die Wirkungsdauer bis zum Ende der Blüte verkürzen.
Rapsschwärze (Alternaria brassicae)
Die Rapsschwärze ist vorrangig in warmen, windgeschützten Lagen mit hoher Luftfeuchtigkeit ein Problem. Infektionen treten vor allem bei einem Wechsel aus feuchtwarmer und trockenwarmer Witterung auf.
- Befallsrisiko: Ertragsverluste entstehen vor allem durch Schotenplatzen kurz vor der Ernte.
- Vorbeugung: Ein früher Drusch kann Schotenverlusten vorbeugen, steht jedoch in Konkurrenz zu spät abreifenden Schoten.
- Bekämpfung:
- Fungizide aus den Wirkstoffgruppen der Triazole, Dicarboximide, Strobilurine und Kontaktmittel eignen sich zur Bekämpfung.
Prognosemodelle – SkleroPro
Das Prognosemodell SkleroPro unterstützt bei der Entscheidung zur optimalen Terminierung der Blütenbehandlung gegen Sclerotinia sclerotiorum. Das Modell berücksichtigt aktuelle Wetterdaten, bodenspezifische Parameter sowie die Entwicklung des Rapsbestandes. Ziel ist es, die Infektionsgefahr durch Weißstängeligkeit frühzeitig einzuschätzen und eine gezielte Bekämpfungsmaßnahme zu empfehlen.
- Funktionsweise:
- SkleroPro wertet Niederschlag, Luft- und Bodentemperaturen sowie die Luftfeuchte aus.
- In Kombination mit der Bestandesentwicklung und der Mikroklimasituation im Rapsbestand wird die Wahrscheinlichkeit eines Sclerotinia-Befalls berechnet.
- Vorteile:
- Optimierung des Behandlungszeitpunkts zur Steigerung der Wirkungsgrade.
- Vermeidung unnötiger Fungizidbehandlungen und somit Kosteneinsparung.
- Präzise Empfehlungen für Standorte mit erhöhtem Risiko (z. B. in Wassersenken oder humusreichen Böden).
- Grenzen des Modells:
- SkleroPro basiert auf regionalen Wetterdaten und liefert daher nur begrenzte Ergebnisse bei kleinräumigen Mikroklimata.
- Unvorhersehbare kurzfristige Wetterumschwünge können die Prognosegenauigkeit beeinträchtigen.
- Die tatsächliche Infektionsgefahr hängt zusätzlich von der aktuellen Bestandesdichte und Bodenbeschaffenheit ab, die nicht immer genau erfasst werden können.
- Der Befallsdruck durch Weißstängeligkeit kann stark variieren und wird nicht allein durch klimatische Parameter bestimmt, sondern auch durch historische Anbaupraktiken und Sklerotienverteilung im Boden.
Trotz dieser Grenzen ist SkleroPro ein wertvolles Hilfsmittel, um fundierte Entscheidungen zur Blütenbehandlung zu treffen. Landwirte sollten die Ergebnisse des Modells jedoch stets in Verbindung mit einer eigenen Bestandserfassung und Erfahrungswerten bewerten.
Fungizidstrategien zur Blütenbehandlung
Kombinationen gegen Sclerotinia sclerotiorum und Alternaria brassicae:
- 0,25 l/ha Cantus + 0,5 l/ha Ortiva
- 0,5 l/ha Propulse + 0,5 l/ha Ortiva
- 1,0 l/ha Amistar Gold
- 0,3 l/ha Cantus Ultra + 0,3 l/ha Pecari 300 EC
- 0,8 l/ha Cantus Ultra
Fungizide mit Azoxystrobin (z. B. Ortiva, Amistar Gold) zeigen eine verbesserte Wirkung gegen Rapsschwärze.
Technische Anforderungen an die Blütenbehandlung
Die größte Herausforderung der Blütenbehandlung ist die ausreichende Durchdringung des dichten Pflanzenbestandes. Hierbei sind die Wasseraufwandmenge, die Düsenwahl und das Tropfenspektrum entscheidend:
- Wasseraufwandmenge: Mindestens 200–300 l/ha, um eine gute Benetzung zu erreichen.
- Tropfenspektrum:
- Feine Tropfen: Hervorragende Benetzung der oberen Pflanzenflächen, aber geringe Masse und schlechteres Eindringen in den Bestand.
- Grobere Tropfen: Bessere Durchdringung in tieferliegende Pflanzenteile durch höhere Masse und Ablenkung.
- Düsenwahl:
- Flachstrahldüsen der Größen 04 und 05 (kurze Injektordüsen bei 2,0–3,0 bar).
- Längere Injektordüsen benötigen höheren Druck (4,0–5,0 bar).
- Doppelflachstrahldüsen verbessern die Verteilung in verzweigte Pflanzenbestände.
- Fahrgeschwindigkeit: Langsames Fahren (z. B. 6–8 km/h) reduziert Schäden in der Fahrgasse und verbessert die Applikationsqualität.
Hinweis: Wasseraufwandmengen müssen den Zulassungsauflagen der eingesetzten PSM entsprechen und können kontrolliert werden.
Dropleg-System als Alternative
Das Dropleg-System ermöglicht eine gezielte Behandlung des unteren Pflanzenbestandes durch ein Schleppsystem, das die Düsenkörper unterhalb der Blüten zieht.
- Vorteile:
- Reduzierte Wirkstoffablagerung in der Blüte → Schonung von Bienen und Wildinsekten.
- Höhere Wirkstoffanlagerung in den Blattachseln (ca. 30 % mehr), wodurch die Infektionsherde von Sclerotinia gezielter erreicht werden.
- Besonders geeignet für Regionen mit erhöhtem Befallsdruck bei Weißstängeligkeit.
- Nachteile:
- Reduzierte Wirkstoffanlagerung in den oberen Blütenregionen (ca. 40 % weniger), was die Wirkung gegen Schotenkrankheiten wie Rapsschwärze einschränken kann.
- Eingeschränkte Wirkung gegen Blütenschädlinge wie Kohlschotenrüssler und Kohlschotenmücke, da diese Bereiche nicht ausreichend benetzt werden.
- Einsatzempfehlung: Das Dropleg-System eignet sich vor allem zur gezielten Bekämpfung von Sclerotinia sclerotiorum, wo der Fokus auf der Wirkstoffanlagerung im unteren Pflanzenbereich liegt. Für eine kombinierte Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen kann das System jedoch nur eingeschränkt empfohlen werden.
Fazit
Die Rapsblütenbehandlung ist ein wichtiger Baustein zur Sicherung des Ertrages und zur Bekämpfung von Weißstängeligkeit und Rapsschwärze. Der optimale Bekämpfungszeitpunkt liegt in der Vollblüte, wenn 50 % der Blüten geöffnet sind und erste Blütenblätter abfallen. Technische Maßnahmen wie die Auswahl geeigneter Düsen, die richtige Wasseraufwandmenge und das Dropleg-System tragen zur Effizienz der Behandlung bei. Landwirte sollten die Entscheidung zur Maßnahme durch genaue Bestandserfassung, Prognosemodelle wie SkleroPro und eine optimale Applikationstechnik absichern, um nachhaltige und wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen.